Mein zukünftiger Beruf war mir (nach den Angaben meiner Mutter) schon im Alter von fünf Jahren klar -- Informatiker. Im Alter von sieben Jahren hatte ich meinen ersten eigenen Computer, einen Commodore 64, und etwa zwei Jahre später entwickelte für diesen Computer in Maschinensprache mehr oder weniger nützliche Programme. Danach folgte im Alter von zwölf Jahren ein Intel-Computer, und damit verschiedenen Betriebssysteme (hauptsächlich Windows und Linux) und Programmiersprachen -- Pascal, Java, Perl, C, PHP, C++, Ruby und ein paar zerquetschte.
Langer Rede kurzer Sinn: mein früher Berufswunsch ist niemals in's Wanken geraten. Ich bastle immer noch gerne an Computern rum, und ich habe meine Entscheidung für das Informatik-Studium noch nicht bereut. Hier möchte ich Interessierten und Leuten, die auch überlegen, Informatik zu studieren, meinen Weg dorthin erzählen.
Anders als vielleicht viele andere zukünftige Informatiker habe ich niemals Informatikunterricht in der Schule mitgemacht. Es gab ein derartiges Angebot ab der neunten Klasse sowie noch einmal ab der elften Klasse, aber in beiden Fällen wusste ich sehr genau, welche Themen behandelt wurden und dass ich in beiden Fällen nichts Nennenswertes hinzulernen würde, zumal unsere Informatiklehrer, sagen wir mal, nicht unbedingt überqualifiziert waren. Ganz abgesehen davon war die Ausrüstung hinsichtlich verfügbarer Compiler in den Computerräumen am Ende meiner Schullaufbahn ähnlich veraltet wie am Anfang selbiger Laufbahn -- Turbo Pascal 6.0, Visual Basic 3.0 und Turbo Pascal für Windows (1.0?) gab es, sonst nichts.
In meinem letzten Schuljahr landeten die Unterlagen des Bundeswettbewerbs Informatik (nicht zum ersten Mal) in meinem Briefkasten. Dieses Mal nahm ich mir genug Zeit, um die Aufgaben anständig bearbeiten zu können, reichte sogar eine Bewerbung für den Sonderpreis ein und kam aus der ersten Runde mit voller Punktzahl und einem zweiten Platz im Sonderpreis, einem vierwöchigen bezahlten Praktikum bei einer kleinen Softwarefirma, die inzwischen nicht mehr existiert.
Beim Sonderpreis war es um Interaktion zwischen Mensch und Computer gegangen, den Versuch, die Kommunikation mit einem Computerprogramm möglichst einfach, verständlich und intuitiv zu gestalten. Die Firma HumanIT, bei der ich den Praktikumsplatz gewonnen hatte, beschäftigte sich mit ebendiesem Thema. Die Flaggschiffe ihrer Produktlinie waren ein Datenvisualisierungssystem, das ich immer noch für ziemlich genial halte, und ein Serverpersonalisierungssystem, mit dem ich damals nichts zu tun hatte.
Was ich bei der Firma genau gemacht habe, darf ich wahrscheinlich trotz Auflösung derselben nicht verraten, aber auf jeden Fall habe ich dort innerhalb von ca. drei Tagen PHP und SQL gelernt und an einer Datenbankanwendung mitentwickelt. Ob meine Arbeit jemals in Produktionsbetrieb eingesetzt wurde, weiß ich leider nicht. Auf jeden Fall wurde meine Leistung als gut genug beurteilt, dass mir die Leute da am Ende sogar angeboten haben, dort bei Gelegenheit noch einmal mitzuarbeiten.
Mein Zivildienst war in jeder Hinsicht der absolute Allestöter. Meine Konzentration war die meiste Zeit über dahin, ebenso wie meine Kreativität und Motivation. An's Programme schreiben war natürlich nicht zu denken, und ich habe viel Zeit damit verbracht, auf das Ende des Zivildienstes und den darauf folgenden Anfang an der Uni zu warten.
An dieser Stelle gibt es zum Zivildienst weiter nicht viel zu sagen.
Dann war es irgendwann soweit. Genaugesehen war es am 15. Oktober 2002. An diesem Tag war nämlich die Einführungsveranstaltung zum Diplomstudiengang Informatik an der RWTH Aachen. Ich war natürlich ziemlich nervös, habe mich in Aachen prompt ziemlich verlaufen (ich habe nur 45 Minuten gebraucht, um vom Hauptbahnhof zum Veranstaltungsort zu kommen... inzwischen schaffe ich das, wenn ich es sehr eilig habe, in 15 Minuten). Aber dann war ich irgendwann da, hatte nach kurzer Zeit auch das Gebäude zwischen einigen anderen Gebäuden gefunden. Auf in den Hörsaal, Fo 1. Es ist eine ziemlich beeindruckende Sache, wenn man zum ersten Mal in so einen großen Hörsaal (ca. 1000 Sitzplätze) reinkommt, aber ich war natürlich hauptsächlich mit anderen Sachen beschäftigt.
Nach einigen Reden und einführenden Worten wurden alle Anwesenden in Gruppen mit je zwei Tutoren aus höheren Semestern aufgeteilt, und wir starteten eine Führung über die halbe Stadt beziehungsweise Uni. Viel weiß ich davon ehrlich gesagt nicht mehr, aber es war ziemlich erschöpfend, denn die Gebäude der Aachener Uni sind weit verteilt.
Am nächsten Tag fand eine Stadtrallye in den gleichen Gruppen statt, mit klassischen blödsinnigen Aufgabenstellungen wie z.B. "trinkt soviel nach Schwefel oder so stinkendes Wasser aus dem Elisenbrunnen wie möglich" oder "tauscht den Appel und das Ei, die ihr mitgenommen habt, gegen etwas anderes ein" oder "schreibt einen Kurzkrimi, in dem folgende Wörter vorkommen: ..." usw.
Lustigerweise habe ich die Leute, mit denen ich für den Rest der folgenden Semester zusammengearbeitet habe, erst nach den ganzen Kennenlernveranstaltungen gefunden. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, andere Leute zu finden, mit denen man zusammenarbeiten kann, aber den allgemeingültigen All-Inclusive-Tipp kann ich leider nicht geben. Dafür kann ich einiges darüber sagen, wieviel Pech man haben kann.
Ich gestehe, dass ich die ersten Vorlesungen alle nicht sonderlich spannend fand. Das ging das ganze erste Semester über so, und die Mathevorlesungen mag ich heute noch nicht besonders. Die ersten Vorlesungen waren "Programmierung", ein Thema, zu dem ich ja nun schon recht viel wusste, sowie "Lineare Algebra I" (kurz LA) und "Analysis für Informatiker" (kurz AfI). Obwohl mir AfI am Anfang viel schwerer fiel als LA, hatte ich doch am Ende des Semester nur in AfI den Schein (der offiziell Leistungsnachweis und nicht Schein heißt).
Wer also mit dem Gedanken spielt, ein Informatikstudium anzufangen, der sollte Mathematik zumindest nicht total verabscheuen, denn man kommt nicht daran vorbei. Vielleicht habe ich in Aachen auch die gemeinsten Mathematikvorlesungen überhaupt erwischt und woanders geht alles viel einfacher... aber davon ganz abgesehen kann man alle Klausuren schaffen (auch die, durch die ich durchgefallen bin).
Außerdem braucht man unbedingt einen völlig anderen Lernstil als in der Schule, vor allem, wenn man die Sache so angeht wie ich (Schule: gar nicht lernen und problemlos bestehen; Uni: kaum lernen und durchfallen). Selbst die Klausur, zu deren Thema ich schon im Vorfeld am meisten wusste, "Programmierung", habe ich erst beim zweiten Versuch geschafft, dann aber auch immerhin mit der besten vergebenen Punktzahl an diesem Tag. Bätsch.
Die Wahl eines Nebenfachs ist bei einem reinen Informatikstudium Pflicht. Es ist mir nicht weiter schwergefallen, mich für ein Nebenfach zu entscheiden... Mathematik schied sofort aus, davon hatte ich so schon genug. Meine Leistungen in Physik und Chemie waren schon in der Schule nicht glänzend gewesen; Maschinenbau und Elektrotechnik interessierten mich gar nicht. Philosophie erschien mir als ein etwas praxisfernes Fach, übrig blieb, neben ein paar Außenseitern, Psychologie.
Wenn ich erzähle, dass ich Informatik mit Psychologie studiere, dann fragt jeder zweite nach, wie das zusammenpasst und was man damit anfangen kann. Nunja, es gibt einige Bereiche der Psychologie, die sich mit Themengebieten der Informatik überschneiden. Da wäre zum Beispiel das Thema Softwareergonomie, das psychologische Hintergründe hat, aber auch unter dem Schlagwort Mensch-Computer-Interaktion (klingelt's?) in der Informatik sehr aktuell ist. Einige weitere Themen sind nicht unbedingt direkt mit der Informatik verwandt, eignen sich aber in fast jedem Beruf, wie z.B. "Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz".
Dazu kommt noch, dass mich Psychologie schon immer fasziniert hat. Man kann Psychologie vielleicht sogar mit Informatik vergleichen -- in beiden Fällen beschäftigt man sich mit Informationsverarbeitung. Psychologie befasst sich allerdings mit Themen, die teilweise nur sehr vage oder gar nicht erklärt werden können, und für die sich die Erklärungen im Laufe der Zeit häufig ändern.
In meine Entscheidung sind viele Überlegungen, Gefühle und Erfahrungen, vielleicht sogar noch andere Aspekte, eingegangen; ich werde bei Gelegenheit mal versuchen, einen eigenen Artikel zu diesem Thema zu schreiben. Ich müsste mir nur noch überlegen, in welche Kategorie dieser Artikel dann kommt -- Uni oder Profile...
Ich behaupte hier einfach mal, dass mich das Studium bedeutend verändert hat. Viele Probleme, die ich davor noch hatte, sind ziemlich schnell im Nichts verschwunden. Da wäre zum Beispiel mein -- vorsichtig ausgedrückt -- vorsichtiger Umgang mit Menschen, der sich innerhalb kürzester Zeit zu einem relativ durchschnittlichen Umgang verändert hat. Woher die Probleme davor kamen, werde ich demnächst an anderer Stelle auseinanderanalysieren.
Natürlich habe ich auch einiges dazugelernt; vorneweg, dass ich mehr tun muss, um das Studium zu schaffen, irgendwo im Hintergrund befindet sich auch jede Menge neues Wissen zu Rechnerhardware und Schaltwerken, Datenstrukturen und Algorithmen, die auf selbigen operieren, sowie einige mathematische Werkzeuge.
Was geblieben ist, ist mein Interesse am Thema und mein zukünftiger Beruf. Und mein schlechter Humor. Und... nein, das verrate ich nicht.
Dieser Artikel wurde zuletzt am 21.12.2004 geändert.